Insbesondere zur Zeit der Mandelblüte, ist die Anfahrt zum kleinen Dorf Orba im Hinterland
Denias ein Traum für Naturliebhaber. Das Städtlein, das gerade 1.500 Einwohner zählt, liegt in
einem äußerst fruchtbaren Tal in der Marina Alta. Neben den Mandelbäumen begeistern blühende
Orangen- und Zitronenbäume, immer wieder verzieren auch Oliven- und Johannisbrotbäume die
Landschaft. Der Ort, der im Norden an Pego und im Süden an Alcalali grenzt, ist der
Ausgangspunkt für eine Exkursion in die Berge des Vall de Laguart. Dort, nur wenige Kilometer
vom Tourismusrummel entfernt, zeigen sich friedliche spanische Bergdörfer, die bislang scheinbar
nur wenig vom Gang der Zeit berührt wurden.
Wie so viele andere Ortschaften der Provinz kann Orba auf eine lange Vergangenheit zurückblicken.
Alleine die Entstehung des Ortsnamens läßt zwei verschiedene Theorien zu: Auf der einen Seite
könnte er aus der Sprache der Iberer stammen und ursprünglich "Ur-Obia" gelautet
haben. Dies soll soviel bedeuten wie "Ort am Fuße eines Berges, an dem Wasser entspringt".
Auf der anderen Seite könnte sich der Name Orba aber erst viel später durch den nordafrikanischen
Berberstamm "Auraba" entwickelt haben. Ein Stamm, der sich seit Beginn der maurischen
Eroberung Spaniens im heutigen Orba niedergelassen hatte.
Das Leben in Orba
Auf diese Epoche geht auch die wirtschaftliche Tätigkeit des Dorfes zurück.
Neben dem eingangs erwähnten landwirtschaftlichen Obstanbau konnte sich in Orba vor allem die Töpferei
und das Keramikhandwerk durchsetzen. Hoch oben über dem Ort, auf dem Monte de Adroberes, wacht noch heute
die Ruine einer Burg aus dem 13. Jahrhundert, dem Jahrhundert der "Reconquista" durch
den aragonesischen König Jaime I., über den Zugang ins Vall de Laguart. Jedoch blieb die
Bevölkerung Orbas nach der christlichen Wiedereroberung weitere vier Jahrhunderte größtenteils
maurisch. Dies führte zur vollkommenen Entvölkerung des Ortes nach der Maurenvertreibung im Jahre
1609. Nur ganz allmählich kam durch den Zuzug einiger Familien aus den Nachbargemeinden Pego
und Murla wieder Leben nach Orba.
Friedliches Orbeta
Schlendert man durch die engen Gassen Orbas, sollte man einen Besuch bei der Quelle "Font
de d'Alt" (obere Quelle) im östlichen Ortsteil Orbetas nicht versäumen. Gute einhundert
Jahre alt ist diese Quelle, aus der sich die Einwohner Orbas noch heute mit frischem Trinkwasser
versorgen. Im Westen Orbas, direkt an der "Avenida de la Constitución", befindet sich
eine weitere Quelle, die "Font de Baix" (untere Quelle). Sie wird heute allerdings
nicht mehr genutzt.
Nur wenige Fußminuten von der "Font de d'Alt" entfernt findet man die Kapelle Orbetas.
Zwar ist diese bescheidene Ermita in der Regel verschlossen, doch sitzen meist einige Frauen in
der Sonne vor der Kapelle, die dem Interessierten die Tür öffnen können. Das Fest zu Ehren des
Schutzheiligen wird alljährlich am zweiten Juli-Wochenende gefeiert und ist dem "Cristo de
la Agonia" gewidmet.
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Lepradorf Fontilles
Verläßt man Orba in nordwestlicher Richtung, verläßt man zugleich auch das Tal. Nur etwa fünf
Kilometer muß man zurücklegen, um das Sanatorium von Fontilles zu erreichen, das im Jahr 1909 von
dem Jesuitenpater Carlos Ferris und dem Arzt Joaquin Ballester eröffnet wurde. Hier kann man den
Park einer der letzten Kliniken, in denen Leprakranke leben und behandelt werden, besuchen. Die
Tatsache, daß einjeder frei unter den vielen schattenspendenden Bäumen des Sanatoriums
spazierengehen kann, ist ein Beleg dafür, daß Lepra in seinem heutigen Erscheinungsbild nicht
mehr ansteckend ist. Miguel Vidal Mas, seit 25 Jahren als Arbeiter in der Klinik angestellt,
bestätigt dies: "Als ich im Jahre 1960 anfing, hier zu arbeiten, hatte ich schon Angst, ich
könnte mich anstecken. Aber schon bald habe ich durch den Kontakt anderer mit den Kranken gemerkt,
daß das nicht stimmt. Seitdem komme ich täglich mit Leprakranken in Kontakt und bin noch immer
kerngesund."
Die Zahl der Leprakranken ist weltweit rückläufig - in Fontilles ging sie laut Aussage Vidals
während seiner Tätigkeit im Sanatorium von etwa 300 auf 110 zurück: "Schon lange kommen
keine neuen Leprakranken mehr hierher. Es scheint, als würde diese Krankheit endlich aussterben."
Vom Park des Sanatoriums aus hat man eine traumhafte Aussicht über das Tal bis hin zum Meer.
Nicht zu übersehen ist die Mauer, die die Klinik weitläufig umschließt. Sie wurde zu Beginn
dieses Jahrhunderts gleichzeitig mit dem Sanatorium errichtet. Dadurch fühlten sich die Bewohner
der umliegenden Ortschaften weniger durch die Ansteckungsgefahr bedroht.
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Blick auf das Lepradorf von Fontilles. Die Mauer (im Hintergrund) wurde seinerzeit zum
Schutz der umliegenden Ortschaften vor der Ansteckung mit der Krankheit errichtet. |
Ganz oben
Die Straße von Orba über Fontilles schlängelt sich noch einige Kilometer weiter bergauf. Das
Dorf Vall de Laguart ist aus drei kleinen Gemeinden zusammengeschlossen: Campell, Fleix und
schließlich Benimaurell. Hier endet die Straße - es beginnt die pure Natur. Noch beeindruckender
ist von hier der Blick hinab auf das Meer. Zu Spaziergängen, zu stundenlangen Wanderungen oder
einfach zum Träumen lädt die bergige Landschaft der Sierra de Alfaro ein. Immer wieder bieten
sich dem Wandernden neue Aussichten auf das Tal oder auf beeindruckende, felsige Bergketten.
Obgleich nur etwa zehn Kilometer vom 156 Meter hoch gelegenen Orba entfemt, befindet man sich in
Benimaurell in windiger Höhe. Die drei Ortschaften des Vall de Laguart begeistern durch ihre
Lage und durch ihre Unberührtheit - typischer als hier, beinahe am Ende der von Menschen
bevölkerten Welt, kann man sich das Hinterland der Costa Blanca kaum vorstellen.
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Tal der Fruchtbarkeit
Auf dem Weg zurück ins Tal lohnt ein kurzer Abstecher in das Gebiet des Stausees "Pantano
de Isbert". In Fontilles biegt man, linker Hand ab. Nur wenig später befindet man sich
inmitten riesiger Orangenplantagen - eine Augenweide für den Freund des Farbspiels der Natur.
Auch wenn der Stausee selbst wegen seines durchlässigen Bodens nur selten mit Wasser gefüllt ist:
Von Trockenheit ist in diesem Tal derzeit nichts zu spüren.
Höhle der Totenköpfe
Wer noch Zeit und Muße hat, den Tag mit einem weiteren Höhepunkt zu füllen, könnte sich an
Orba vorbei auf den Weg nach Benidoleig machen. Dort kann man die "Cueva de las Calaveras"
- die Höhle der Totenköpfe besichtigen. Sie ist 400 Meter lang und teilweise über 20 Meter hoch.
Zahlreiche Tropfsteine - Stalagtiten und Stalagmiten - verschiedenster Form und Größe können
hier bewundert werden. Die Grotte entstand vor etwa 150 Millionen Jahren. Damals standen die
Berge der Region noch unter Wasser.
Funde von menschlichen und tierischen Knochen lassen darauf schließen, daß es in der Grotte
bereits vor etwa 25.000 Jahren Leben gab. Zu dieser Zeit gab es in der Höhle mehrere Seen, so
daß sich, die Menschen zur Zeit des Neandertalers alleine durch den Fischfang in der Höhle
ernähren konnten.
Neugierig macht sicherlich der Name der Grotte von Benidoleig. Eine Legende erzählt: Als der
christliche Heerführer "El Cid" sich im Jahre 1094 dazu entschloß, das maurische
Leben in Spanien auszulöschen, versteckte sich Ali Moho, ein reicher maurischer König, in der
Höhle. Mit hinein in das Versteck soll er 150 schöne, mit kostbarem Schmuck behangene
Haremsdamen genommen haben. "El Cid" belagerte die Grotte, ein Entrinnen des
Maurenkönigs war ausgeschlossen. Mitsamt seinem Harem soll sich der König durch übermäßigen
Drogenkonsum getötet haben - 150 Totenköpfe, kreisförmig angeordnet, wurden gemäß der Legende
in der "Höhle der Totenköpfe" gefunden.
Neben dieser recht beeindruckenden Geschichte existiert eine andere, sehr ähnliche Erzählung.
Ihr zufolge hat sich König Ali Moho nicht nur mit seinem Harem, sondern auch mit seinen Truppen
in der Grotte verschanzt. Gefunden wurden, ebenfalls nach Selbsttötung durch eine Überdosis
Drogen und ebenfalls kreisförmig angeordnet, 13 Skelette - das des Königs und die seiner zwölf
getreuesten Anhänger.
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